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Wir möchten in unserem Forum die Zechen des Ruhrpotts (und darüber hinaus) entdecken, erleben und an sie erinnern, damit diese nicht in Vergessenheit geraten!

In diesem Gebiet gab es einst mehr als tausend Zechen und somit ist immer noch vieles von ihnen allgegenwärtig. Als die Kumpels für ihren Lohn unter Tage fuhren und den Staub schluckten war es kaum möglich, heute hingegen darf man einige Zechen auch besichtigen.

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Schacht - Die Zeche Hermann Schacht 1/2 in Selm Beifang 1906 bis 1926 Empty Die Zeche Hermann Schacht 1/2 in Selm Beifang 1906 bis 1926

Do 29 Jan 2015, 20:04
Das kleine münsterländische Bauerndorf Selm hatte 1905 nur 1762 Einwohner. Es wurde dort hauptsächlich Pferde- und Rinderviehzucht betrieben. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden durch die internationale Bohrgesellschaft zu Erkelenz in Selm und Umgebung Probebohrungen auf Kohle durchgeführt. Es wurden Flöze in einer Tiefe von 518 m bis zu 1440 m gefunden und eine Abbaumenge von 397 Millionen Tonnen errechnet (bei einer Teufe von 1200m).
Ergebnis darauf war dass am 15.3./11.4.1906 die Bergwerksgesellschaft Hermann mbH mit Sitz in Bork gegründet wurde. Die Berechtsame summierte sich auf 17 Maximalfelder, diese betrugen insgesamt 37,5 km².
Um die damals moderne Doppelschachtanlage ortszugängig zu erschließen, wurde ab Herbst 1906 von der Landstraße Selm-Bork ein Transportgleisanschuss bis auf den Buddenberg zur Zeche hinauf angelegt.
Am 13.12.1906 begann der erste Spatenstich zur Errichtung der Abteufgerüste Zeche Hermann Schacht 1 und 2.
Die Grundstücke (1340 Morgen) der zukünftigen Zechenanlage und späteren Zechensiedlungen gehörten damals zum Grundbesitz der Burg Botzlar (des Grafen von Landsberg-Velen zu Vehlen/Gemen) und wurden 1907 für 1.150.000 Mark von der Trierer Bergwerksgesellschaft Hermann mbH erworben.
Schacht - Die Zeche Hermann Schacht 1/2 in Selm Beifang 1906 bis 1926 Scan10005a
Im Februar 1907 wurde mit der Abteufung von Schacht 1 und im Mai 1907 von Schacht 2 im Westfeld, 139 Beschäftigte begonnen. Von Juli 1907 bis zum September 1908 wurde von Bork aus über den heute noch erhaltenen Zechendamm (heutiger Straßenname Alte Zechenbahn) ein direkter Gleisanschluss an die Staatsbahn erstellt. Die meisten benötigten Waggons wurden auch durch die Staatsbahn gestellt. Die dazu gehörige Lokomotive wurde am 19.08.1908 von der Hohenzoller-Fabrik/ Düsseldorf-Grafenberg in Bork angeliefert. Sie fuhr dann zweimal am Tag den Borker Bahnhof von der Zeche aus an. Nach Bork hin vorwärts und zur Zeche zurück rückwärts. Der Bahnübergang über die heutige Kreisstraße war unbeschrankt, denn die Bahn hatte immer Vorfahrt. Trotzdem ereignete sich dort ein tödlicher Unfall, als der Besitzer der Brennerei und sein Chauffeur mit der Bahn kollidierten. Beide wurden bei dem Unfall getötet.
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Da der Buddenberg auf dem die Zeche Hermann errichtet wurde auch umfangreiche Lehmvorkommen hatte, errichtete die Zeche ab Oktober 1907 eine eigene Ziegelei mit einem Ringofen. Wenn man heute vor dem Zechentor steht, befand sie sich rechts vor dem Gelände. Hier wurden ab April 1908 täglich 20.000 Ziegel gebrannt, die für den kostengünstigeren Aufbau der Zeche und ihrer Wohnkolonien benötigt wurden. In Selm-Beifang wurden aus den Ziegeln, welche die Zeche Hermann brannte 518 Häuser erbaut.
Im Dezember 1908 hatte Schacht 2 eine Teufe von ca. 786 m erreicht und somit auch das Steinkohlengebirge. Bis April 1909 war Schacht 2 bis 954 m abgeteuft und die erste Bausohle in Höhenlage eingebracht. Schacht 1 wurde 1925 bis zur endgültigen Teufe von 1078 m weitergeteuft. Die Zeche Hermann war zur damaligen Zeit die tiefste Zeche im Ruhrgebiet. Dadurch hatte der Betrieb aber auch starke Probleme mit Wassereinbrüchen und den hohen Temperaturen, die diese Tiefe mit sich bringt. Die Kumpel nannten die Zeche Hermann auch „Zeche Elend“. Viele Bergleute verließen die Zeche Hermann freiwillig und wechselten zu anderen Zechen.
Schacht - Die Zeche Hermann Schacht 1/2 in Selm Beifang 1906 bis 1926 Scan10134ab
Erreichen konnte man damals einen so tiefen Bergwerksbetrieb nur durch die Nutzung moderner Technik. Dampfmaschinen wurden als Fördermaschinen und zur Wasserhaltung eingesetzt. Die damalige Wetterführung wurde stets verbessert und die Stahlseile als Förderseile hatten schon lange die Hanf- und Kettenseile ersetzt, welche diese Tiefen nicht erreichen hätten, können.
Ab 1909 wurde die erste Kohle für den Eigenbedarf gefördert. Anfang 1911 wurde eine Anlage zur Gewinnung von schwefelsaurem Ammoniak erstellt. Ende 1911 kamen noch 80 Koksöfen zur Verkokung der hochwertigen Fettkohle und eine Anlage zur Gewinnung der Nebenprodukte hinzu. 1914 hatte die hauseigene Kokerei 160 Koksöfen in Betrieb.
Da 1914 der 1. Weltkrieg zugange war und auch Bergarbeiter an die Front geschickt wurden, hat man auf Zeche Hermann auch Kriegsgefangene bei der Arbeit eingesetzt. Für die ca. 240 hauptsächlich aus Russen und Franzosen bestehenden Arbeitern wurde eine eigene Währung eingeführt. Diese Währung war nur auf Zeche Hermann bzw. im Gefangenenlager gültig und sollte so Fluchtversuche vermindern. Aber auch Jugendliche unter 16 und Frauen aus der Umgebung arbeiteten auf Hermann.
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Die Zeche Hermann hatte in ihrer Betriebszeit ca. 152 tote Kumpel durch Unfälle zu beklagen. In vielen Jahren war es sogar ein Mensch pro Monat, der tödlich verunglückte. Die Schachtanlage wurde oft bestreikt durch die Kumpel. Meistens mit geringem bzw. keinem Erfolg.
Im Jahre 1919 ging die Zeche zu 92 % Anteilen in den Besitz einer französischen Gruppe. Dann folgte 1920 die Abdämmung des Westfeldes wegen der hohen Wasserzuflüsse. Überraschenderweise wurde dieses Westfeld aber bereits 1922 wieder in Abbau genommen.
Die Zeche Hermann förderte dann in ihrem besten Jahr, 1925, 528.991 Tonnen. Im Jahr darauf jedoch nur noch 280.700 Tonnen - auch bedingt durch weniger Bergleute. Hinzu kamen noch große Absatzschwierigkeiten auf dem Kohlenmarkt.
Am 15.05.1926 beantragte die Zechenverwaltung die Stilllegung des Bergwerks. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Zeche bei der derzeitigen Teufe noch 300 Millionen Tonnen Kohle abbauen können. Danach wurde schon mit dem Teilabriss der obertägigen Anlagen begonnen. Die meisten Selmer waren Arbeits- und Brotlos. Wenn man bedenkt, dass Selm bedingt durch den Hauptarbeitgeber der Zeche von 1762 auf ca. 12000 Einwohner heranwuchs, waren die Umstände sehr elendig. Die Kumpel, die es schafften, bekamen noch Arbeit auf den benachbarten Bergwerken Minister Achenbach und Ewald Fortsetzung. Seitens der Stadt wurde auch Hilfe vom Land beantragt doch dafür war Selm schon ein zu großes Ballungszentrum geworden. Offiziell wurde Selm von 1933 bis 1956 zur Notstandsgemeinde erklärt.
1927 wurden die Schächte abgedeckt und am 3. März 1928 wurden die Fördergerüste umgelegt. Rechts des Buddenberges entstand eine Notwohnkolonie, die sogenannten Nissenhütten. Die Lohnhalle, Markenstube und die Kaue wurden stehen gelassen und stehen heute noch. Dort wurde nach Zechenschließung eine siebenklassige evangelische Schule eingerichtet.
Heute haben sich noch mehrere Betriebsgebäude erhalten die vom Autor besichtigt und dokumentiert wurden. Die folgenden Bilder geben einen Eindruck wieder.
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Literatur:
Rita Weißenberg: Uns wurde nichts geschenkt, Selm-Beifang 1906-1933     
Joachim Huske, J.: Die Steinkohlezechen im Ruhrrevier, Daten und Fakten von den Anfängen bis 1986. Veröffentlichungen aus dem Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Nr. 40.    Bochum. 1987

Der original Bericht von mir mit Fotos: http://bgvr.org/bergbau/zeche-hermann-selm
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Schacht - Die Zeche Hermann Schacht 1/2 in Selm Beifang 1906 bis 1926 Empty Re: Die Zeche Hermann Schacht 1/2 in Selm Beifang 1906 bis 1926

So 08 Feb 2015, 17:44
Toller Bericht, danke dafür.
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